Am 3. Oktober 2019 kam die Verfilmung des Romans „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz ins Kino. Der Film verdeutlich die brutalen Konsequenzen zweier Ideologien. Hier werden die Machart des Films und die Konsequenzen kurz zusammengefasst.
„Die Freuden der Pflicht“. Das ist das Thema des Aufsatzes, den der Strafgefangene Siggi Jepsen im Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz schreiben soll. Am 3. Oktober 2019 erschien die Verfilmung von Regisseur Christian Schwochow.
Siggi gibt leere Seiten ab. Es gebe so viel zu erzählen, dass er nicht wisse, wo er anfangen solle. Im Laufe des Films wird klar, warum. Romanleser*innen wissen das natürlich auch schon vorher. Das Aufsatzthema erscheint dabei paradox. Nichts an der Geschichte, die Siggi Jepsen im Arrest aufschreibt, bereitet wirklich Freude. Das liegt auch an der Zeit. Die Geschichte, und Siggis Kindheit, findet in der Zeit der Naziherrschaft statt. Was eine schöne Kindheit an einer idyllischen Küste in Schleswig-Holstein sein könnte, wurde Siggi durch die Pflicht seines Vaters beraubt. Und durch den Konflikt seines Vaters mit einem Freund aus dessen Kindheit, dem Maler Max Ludwig Nansen.
"Deutschstunde": Verfilmung des Romans spielt mit Kontrasten
Es ist ein düsterer Film. Das liegt nicht nur an der Handlung, sondern auch an der Machart. Es gibt einige dunkle Szenen. Sei es durch die buchstäbliche Dunkelheit in wenig belichteten Räumen und im Unwetter, oder durch die Kälte des Watts, graue Wolken und Wind. Diese dunklen Szenen wechseln sich jedoch auch mit hellen Szenen ab, die durch den starken Kontrast dann aber auch unangenehm sind. Sie sind zu hell, zumindest im dunklen Kinosaal. Tatsächliche Lichtblicke sind andere Szenen, die nicht nur hell, sondern auch warm wirken. Das sind die frühen Begegnungen von Siggi mit Max Ludwig Jansen.
Angesichts der Geschichte sind diese Wechselspiele zwischen dunkel und hell passend. Es verstärkt den Eindruck von Siggis Zerrissenheit zwischen seinem Vater und dem Maler Max, die Siggi zu einem Werkzeug in ihrem Konflikt machen.
Siggis Vater, Jens Ole Jepsen, ist Dorfpolizist. Als die Bilder von Max Jansen als entartete Kunst eingestuft und ein Malverbot gegen ihn ausgesprochen wird, muss Jens Jepsen das Überwachen. Dabei benutzt er auch Siggi, den er zum Maler schickt, um ihm zu berichten. Max Nansen benutzt Siggi auch, indem er ihn gegen seinen Vater aufbringt. Er bringt ihm das Malen bei. Spätestens als Nansen Siggis älteren Bruder hilft, der aus einem Lazarett der Wehrmacht abgehauen ist, sind die beiden Verbündete.
Film "Deutschstunde": Pflicht als Ideologie
An dieser Stelle kommt die Pflicht ins Spiel. „Ich tue nur meine Pflicht“, „es ist meine Pflicht“. Das betont Jens Jepsen immer wieder. Damit begründet er die Überwachung seines ehemaligen Freundes, die Beschlagnahmung der Bilder und sogar die Denunziation seines eigenen Sohnes. An der Art, wie Jens das ausspricht merkt man, dass die Pflicht der oberste Maßstab ist, den Jens zur Beurteilung seiner Handlungen anwendet. Sein ganzes Leben dient der Pflichterfüllung. Sogar seine eigenen Interessen und die Interessen seiner Freunde und Familie werden dem untergeordnet. Egal wie schmerzhaft das für die Beteiligten ist. Und auch Jens ist anzumerken, dass es auch für ihn gilt. Er flüchtet sich dann allerdings wieder in seine Ideologie.
Und die Ideologie ist in diesem Fall nicht der Nationalsozialismus. Die Pflicht ist die Ideologie. Jens Jepsen dient als Polizist dem System. Zur Zeit von Siggis Kindheit ist die systembeherrschende Ideologie der Nationalsozialismus. Die Nazis geben die Regeln vor und Jens Jepsen befolgt sie. Nach dem Krieg geben die Besatzer die Regeln vor und nach seiner Rückkehr befolgt er auch deren Regeln. Es ist schließlich seine Pflicht.
Die Ausrede eines Volkes ist auch Teil des Films "Deutschstunde"
„Denkt daran Kinder. Euer Vater hat immer nur seine Pflicht getan“, ruft Jens Jepsen seinen Kindern noch zu, bevor die britischen Soldaten ihn nach der Befreiung verhaften. Diese Szene verdeutlicht die Ausrede vieler deutscher Soldaten. Sie wollen selbst keine Verantwortung übernehmen. Sie haben nur ihre Befehle befolgt. Ihre Pflicht getan. Diese blinde Gefolgschaft hat Leid über Siggi und sein Umfeld und über die ganze Welt gebracht.
Verfilmung des Romans "Deutschstunde": Brutale zwei Stunden
Der Film zeigt die brutalen Folgen der nationalsozialistischen Ideologie und der Pflichterfüllung auf. Im Gegensatz zur herkömmlichen popkulturellen Aufarbeitung der Zeit rückt der Fokus vom großen Krieg in die Provinz. Auch die innere Zerrissenheit wird durch den Wechsel der sehr hellen und dunklen Szenen gut dargestellt. Es ist sicherlich kein Film der Spaß macht, der aber zum Nachdenken anregt.
Im Gegensatz zu Jens Ole Jepsen, der sich aus Pflichtgefühl der Ordnung gegenüber zum Handlanger der Nazis macht, zeigt das Computerspiel "Through the Darkest of Times" mögliche Schicksale des antifaschistischen Widerstands in dieser Zeit.
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