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Handlungsbereitschaft ohne Rechtsgrundlage?

Von Max Schäfer

 

Die Unabhängigkeit von Gerichten ist ein hohes Gut. Aber Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen."

 

 

Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, geriet durch obige Aussage stark in die Kritik. Die Opposition forderte ihn außerdem zum Rücktritt auf. Was ist passiert? Der islamistische Gefährder Sami A. wurde nach Tunesien abgeschoben, obwohl das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht die Abschiebung im Hinblick auf eine drohende Folter in Tunesien verbot. Das Oberverwaltungsgericht von NRW bestätigte das Urteil. Sami A. muss also wieder zurückgeholt werden. Reul bezog sich mit seiner Aussage auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

 

 

Eingriff in die unabhängigkeit der justiz

Die Richter sollten sich also eher auf das Bauchgefühl von besorgten Bürgern achten, als auf Gesetze. Das ist natürlich falsch. Natürlich ist es nicht schön, wenn ein mutmaßlicher Islamist, der für Osama bin Laden gearbeitet haben soll, hier rumläuft. Er soll möglichst schnell raus. Trotzdem gibt es Gesetze an die man sich halten muss. Ansonsten ist der Rechtsstaat, den die Union ja stärken möchte, im Eimer. Jeder hat Rechte und jeder muss sich an die Gesetze halten. Auch die Landesregierung.

Druck auf die Politik

Der gesamte Prozess ist auch beispielhaft für die gesamte Flüchtlingskrise. Große Teile der Bevölkerung sind nicht zufrieden mit der Politik der Bundesregierung. Jede weitere Nachricht von einer Straftat eines Asylbewerbers ist ein Tropfen auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Der Masterplan Migration des Bundesinnenministers Horst Seehofer und die geplante Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes sind Bemühungen wieder Ordnung in das mit dem BAMF-Skandal belastete Thema Asylpolitik. Die Abschiebung eines Gefährders sollte ebenfalls ein Zeichen sein, dass man sich auf die Politik verlassen kann. Die Landesregierung NRWs wollte Handlungsbereitschaft signalisieren. Dummerweise setzte sie sich dabei über geltende Gesetze hinweg.

 

Das Urteil und die Wiedereinreise Sami A.s stoßen in der Bevölkerung auf Verständnislosigkeit und treiben noch mehr Wähler in Richtung AfD. Das befürchtet zumindest Reul. Gerade weil AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel auf den Zug anspringt und die Entscheidung des Gerichts als „Stück aus dem Tollhaus“ bezeichnet. Von Seiten der AfD sind solche Aussagen aber leider nichts Neues bzw. Besonderes mehr.

 

Bei allem Unbehagen wegen der Gefährder, die noch in Deutschland sind, ist es allerdings schön zu sehen, dass der Rechtsstaat noch funktioniert.

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