· 

„Don’t Look Up“ (Netflix): Noch Satire oder schon Realität?

Netflix zeigt in „Don’t Look Up“ den Umgang einer fiktiven amerikanischen Gesellschaft mit der existenziellen Bedrohung eines Kometeneinschlags. Gleichzeitig spiegelt der Film die Realität auf unangenehme Weise wider.

 

Welche Funktion hat die Kunst bzw. haben Künstler:innen? Bei Netflix-Filmen steht in erster Linie die Unterhaltung im Vordergrund. Eine Orientierung am Gemeinwohl und an der Demokratie wird bei der Fokussierung auf die Bedürfnisbefriedigung von Einzelnen nicht geboten. So ähnlich lautet auch die Kritik von Marcus S. Kleiner in seinem Buch „Streamland“. Dass er sich täuscht und auch Netflix-Produktionen in der Lage sind, weitere Funktionen von Kunst wie das Aufgreifen von gesellschaftlichen Debatten beherrschen und die Zeit kritisch betrachten können, beweist Regisseur und Drehbuchautor Adam McKay in seinem Netflix-Film „Don’t Look Up“.

 

„Don’t Look Up“ (Netflix): Mit Starbesetzung gegen Wissenschaftsfeindlichkeit

Der Film ist gespickt mit Stars. In den beiden Hauptrollen sind Leonardo DiCaprio als Dr. Randall Mindy und Jennifer Lawrence als Kate Dibiasky zu sehen. Beide Protagonist:innen des fiktionalen Netflix-Films „Don’t Look Up“ sind Astronom:innen. In ihrer Forschung entdecken sie einen Kometen, der zu einer existenziellen Bedrohung wird: In sechs Monaten soll er die Erde treffen.

 

Zusammen mit dem Vorsitzenden der Organisation für planetare Verteidigung der Nasa wollen sie die Präsidentin besuchen, die jedoch wegen politischer Skandale zu beschäftigt ist, um sie zu treffen. Am nächsten Tag klappt das Treffen dann doch. Wirklich ernst genommen werden die Wissenschaftler:innen jedoch nicht. Die Präsidentin und ihr Stabschef erzählen dagegen fast belustigt, dass sie ständig derartige Warnungen erhielten und legen dann eine elitäre Haltung an den Tag, weil Mindy und Dibiasky nicht von an einem Ivy-League College, also einer der Elite-Universitäten in den USA, forschen. Kurz gesagt: Die Wissenschaft wird nicht ernst genommen. Aber der Zeitpunkt ist aus Perspektive der Politik auch unpassend: Die Midterm-Wahlen stehen an. Bis dahin, sollen die Astronom:innen nichts machen.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Don't Look Up (@dontlookupfilm)

Netflix „Don’t Look Up“: Vom Umgang mit existenziellen Bedrohungen

Mindy und Dibiasky halten jedoch nicht still, sondern gehen an die Öffentlichkeit, um die Menschen vor der existenziellen Bedrohung zu warnen. Die Reaktionen sind zunächst verhalten. Einerseits passt das ernste Thema nicht in die gezeigte, auf Unterhaltung ausgelegte Ökonomie der US-Medien, andererseits sind die beiden Wissenschaftler:innen im Umgang mit den Medien noch nicht geschult. Die Gesellschaft reagiert daraufhin mit Leugnung und Spott auf die Nachricht. Eine sachliche Debatte darüber, wie sich das Problem lösen lässt, findet jedenfalls nicht statt.

 

Was aber früher geschadet hat, hilft jetzt bei der Problemlösung: Die Regel des politischen Betriebs. Die Präsidentin erlebt einen Skandal und will sich als Retterin der Welt inszenieren. Eine Lösungsstrategie wird erarbeitet und gestartet. Dann schlägt im Netflix-Film „Don’t Look Up“ der Kapitalismus zu.

 

Ein Technik-Unternehmer, Milliardär und wichtiger Sponsor der Präsidentin, der gewissermaßen Elon Musk, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg in sich vereint, erkennt die Möglichkeit, Rohstoffe für die Produktion aus dem Kometen zu bergen. Die Mission wird also abgebrochen.

 

Netflix-Film „Don’t Look Up“ ist Allegorie auf die Klimakrise

Die Gesellschaft spaltet sich also zwischen den Personen, die den Kometen als existenzielle Bedrohung wahrnehmen und denjenigen, die trotzdem auf ökonomische Gewinnmaximierung aus sind. Übrigens lässt sich auch der Astronom Randall Mindy zuerst von der Versuchung des Geldes einlullen. Letztendlich kommt er jedoch in einer Fernsehsendung zur Vernunft und hält eine Wutrede darüber, wie ernst die Bedrohung sei, und wechselt die Lager. Letztendlich hängt alles jedoch am Handeln des Unternehmers. 

 

Der Netflix-Film „Don’t Look Up“ zeigt angesichts der existenziellen Bedrohung alles, was auch in Diskussionen in der realen Welt zu beobachten ist: Wissenschaftsfeindlichkeit und -leugnung, Verschwörungserzählungen, Falschinformationen und das Beharren der Profitmaximierung als oberste Maxime, selbst im Angesicht des eigenen Aussterbens. „Don’t Look Up“ ist eine Fiktion, die Ereignisse sind nicht real, obwohl die planetare Abwehr auch in der Realität Teil der Arbeit von Astronom:innen ist.

 

Netflix-Film „Don’t Look Up“: Realität schon skurril genug

Trotzdem ist der Netflix-Film sehr real. Wer den Kometen durch die Klimakrise ersetzt und die Handlung etwas verlangsamt, kann die derzeitige Debatte um das reale Problem erkennen. Dann stellt sich tatsächlich die Frage, ob es noch Satire ist, oder doch schon die Realität?

 

Bei Texten über Filmen wie „Don’t Look Up“ auf Netflix mit skurrilen Charakteren liegt es nahe zu sagen, es finde eine Überzeichnung statt. Angesichts der realen Verschwörungserzählungen und Falschinformationen, die mittlerweile von führenden Politiker:innen und Amtsträger:innen verbreitet werden, und der scheinbar unbegrenzten Ausschlachtung der planetaren Ressourcen zeigt sich jedoch, dass die Realität schon so verrückt ist, dass es Satiriker:innen und andere Künstler:innen schwer haben, noch eine Schippe draufzulegen.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0