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Flüchtlinge - 1940 - 2018

Die Gesellschaft hat mit der Diskriminierung das soziale Mordinstrument entdeckt, mit dem man Menschen ohne Blutvergießen umbringen kann; Pässe oder Geburtsurkunden, und manchmal sogar Einkommenssteuererklärungen, sind keine formellen Unterlagen mehr, sondern zu einer Angelegenheit der sozialen Unterscheidung geworden.“

 

Hannah Arendt beschreibt in ihrem im Januar 1943 erschienenen Aufsatz „Wir Flüchtlinge“ die Situation der aus dem deutschen Reich geflohenen Juden. Ihr Fokus liegt dabei nicht auf der Verfolgung durch die Nazis. Stattdessen betrachtet Arendt das Verhalten der Juden in ihren „neuen“ Ländern. Die Menschen sind motiviert und optimistisch, dass sie als Staatsbürger anerkannt werden. Sie möchten sich schnell integrieren, und entwickeln sehr schnell eine Liebe zum neuen Land. Trotzdem werden sie misstrauisch betrachtet. Da die Flucht nicht nur ein Ziel hat, sondern sich über mehrere Länder erstreckt, nehmen die Menschen immer wieder neue Eigenschaften auf, die im jeweiligen Land gefordert oder normal sind. Das führt zu einer Selbstentfremdung. Die Verdrängung der eigenen schrecklichen Erfahrungen spielt bei diesem Prozess ebenfalls eine Rolle.

 

Diese Umstände führen nach Arendt zu einer Isolation der Flüchtlinge, die nicht gänzlich Teil der einheimischen Bevölkerung sind. Die Menschen werden zwar als künftige Staatsbürger gesehen, aber als Deutsche werden sie in den USA auch als feindliche Ausländer betrachtet.

Flüchtlinge in der EU

Auch im Jahr 2018 sind Flüchtlinge ein Thema. Und zwar eines von einer solchen Tragweite, dass sich eine ganze Partei dieser Nische verschreiben und sehr viele Menschen mobilisieren kann.

 

Auch die Flüchtlinge, die seit 2015 von Syrien und Afrika nach Europa kommen müssen vor Krieg und Verfolgung fliehen. Auch diese Menschen, um sie als das zu bezeichnen, was wirklich sind – Pässe und Geburtsurkunden als Indikator des sozialen Status lassen das manche Personen vergessen – kommen in der Hoffnung auf bessere Zukunftsaussichten nach Europa. Auch diese Menschen möchten ihre Vergangenheit, das Elend und die Angst vor Gewalt, hinter sich lassen. Die Pässe, Geburtsurkunden.

 

Überwiegend sind es Muslime, die nach Europa kommen, das hauptsächlich christlich geprägt ist und dementsprechend andere Traditionen hat. Die Integration in unsere Gesellschaft kann auch hier zu einer Selbstentfremdung führen.

 

Auch im Europa des 21. Jahrhunderts werden die Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten von großen Teilen der Bevölkerung als „feindliche Ausländer“ angesehen und zum Sündenbock für verschiedenste Missstände gemacht. Eine Differenzierung wird dabei selbstverständlich nicht vorgenommen. Die Isolation der Flüchtlinge in zentralen Einrichtungen, die von der CSU gefordert und auch so eingerichtet werden, löst dabei sicherlich keine Probleme. Es verschärft hingegen die Isolation der geflüchteten Menschen von der heimischen Gesellschaft. Außerdem birgt die Sammlung von verschiedensten Geflüchteten an einem zentralen Ort Konfliktpotential.

 

Arendt schreibt in ihrem Aufsatz, die europäischen Länder seien durch die Ächtung der Juden in der Geschichte vogelfrei. Die Verfolgung der Juden führte zum Zerfall der europäischen Völkergemeinschaft.

 

Auch in der aktuellen Flüchtlingskrise droht die Europäische Union aufgrund dieses Problems zu zerbrechen. Rechtspopulisten in ganz Europa haben sich gegen diese Menschen und ihre Helfer verbündet. Eine „Festung Europa“ wird gefordert. Die Folge ist der Verlust der Menschlichkeit in Europa. Und auch damit der Verlust der Werte, auf die gerade die Rechtspopulisten und Neonazis so stolz sind. Die europäische Humanität ertrinkt im Mittelmeer.

 

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