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Der Realität entkommen: Herr Lehmann Film weckt Sehnsüchte in Corona-Zeiten

Kunst soll aufrütteln und zum Nachdenken anregen. Gesellschaftliche Missstände werden ins Rampenlicht gerückt. In der Corona-Pandemie hat sie auch eine andere Funktion: sie ist eine Ausflucht aus der Realität. Der Film „Herr Lehmann“ ist erfüllt diese Funktion – und weckt Sehnsüchte. Gedanken zur Wiederentdeckung.

 

Die Coronavirus-Pandemie beschäftigt die Welt über ein Jahr. Die Maßnahmen der Politik schränken die Menschen seitdem ein. Ein Lockdown folgt auf den nächsten. Darunter leidet vor allem die Kulturszene, die nicht als „systemrelevant“ gilt. Theater-, Kino- und Konzertbesuche sind nicht möglich. Nach den Maßnahmen, die überwiegend den Bereich der Freizeit einschränken, bleibt den Menschen nicht mehr viel: Arbeit und der Konsum von Kultur über das Internet. Es ist frustrierend.

 

Film "Herr Lehmann": Aus den hinteren Reihen der Srreaming-Portale befreit

Ein Jahr, in dieser Zeit lassen sich einige Serien und Filme schauen. Dabei lohnt sich auch ein tieferer Blick in das Angebot der Portale. Wenn die großen Blockbuster auf der Startseite ignoriert werden, die ohnehin nicht immer so überragend sind, wie eigentlich zu erwarten wäre, finden sich durchaus alte sehenswerte Filme. Mit der Zeit, und ein Jahr ohne große Alternativen bei der Freizeitgestaltung ist wirklich lang, ist es fast notwendig, auch kleinere, weniger bekannte oder vergessene Filme anzuschauen.

 

Irgendwann bin ich auf den Film „Herr Lehmann“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Sven Regener, gestoßen. Der Film von Regisseur Leander Haußmann und mit Christian Ulmen in der Hauptrolle ist aus dem Jahr 2003. Ich habe den Roman gelesen und fand ihn sehr gut. Grundsätzlich bin ich bei Verfilmungen skeptisch. Deshalb, und aufgrund des Alters, stand der Film zwar auf meiner Liste. Aber jedenfalls nicht ganz oben.

 

Verfilmung von "Herr Lehmann" wird dem Roman gerecht

Dabei ist der Film durchaus auch 18 Jahre später noch empfehlenswert. Die Verfilmung des Romans ist gut gelungen. Die Atmosphäre des Buchs und dessen skurrile Szenen werden übernommen.

 

Im Film geht es um Frank Lehmann, der im Jahr 1989 in West-Berlin wohnt und in einer Kneipe arbeitet. Er ist immer lange auf, schläft lange und trinkt sehr viel Bier. Allgemein trinken alle im Film sehr viel Bier. Richtige Probleme haben sie dabei nicht – abgesehen von der Frage, ob ein Mann, den sie „Kristall-Reiner“ nennen Zivilpolizist. Immerhin trinkt er Kristallweizen ohne Zitrone. Das ist wirklich verdächtig. Herr Lehmann lebt also in einer heilen Welt, die nur von Beziehungsstress und der Krise seines besten Freundes Karl unterbrochen wird. Aber am Tresen lassen sich auch diese beiden Störelemente vergessen. Und nach vielen Bieren kann es auch passieren, dass Herr Lehmann weltpolitische Ereignisse nicht mitbekommt.

 

"Herr Lehmann" weckt Sehnsüchte nach der "Normalität"

Livemusik in Kneipen, um 11 Uhr frühstücken und das erste Bier in einer voll besetzten Wirtschaft trinken, lange in Kneipen sitzen und über die Welt reden. Diese Szenen in der Verfilmung von „Herr Lehmann“ wecken im Corona-Lockdown Sehnsüchte. Der Film strahlt eine Unbekümmertheit aus, die sich sehr stark von der allgemeinen Anspannung in der Corona-Krise unterscheidet.

 

„Herr Lehmann“ ist eine willkommene Gelegenheit, eineinhalb Stunden aus der Corona-Realität zu entfliehen. Und klar: das ist auch in anderen Filmen und Serien möglich, schließlich gibt es noch nicht sehr viele, die Corona als Thema haben. Aber „Herr Lehmann“ strahlt auch allgemein eine Leichtigkeit aus.

 

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