Das Bundesverfassungsgericht hat die Sanktionen gegen Hartz-IV Bezieher*innen größtenteils für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung war dringend notwendig, geht allerdings nicht weit genug. Es ist ein erster Schritt, um die Würde der Empfänger*innen von Sozialleistungen zurückzugewinnen. Der Druck auf die Arbeitssuchenden wird von staatlicher Seite etwas schwächer. Man darf allerdings nicht vergessen, dass es sich bei Hartz-IV um eine Sicherung des Existenzminimums handelt.
Es ist also sicher kein angenehmes Leben, wenn man von Hartz-IV abhängig ist. Es reicht zum physischen Überleben und man hat ein Dach über dem Kopf. Mehr nicht. Die Kürzung der Leistungen kann schwerwiegende Konsequenzen haben.
Die Würde des Menschen definiert sich nicht durch Arbeit
In der neoliberalen Gesellschaft zählt vor allem die Leistungsfähigkeit von Menschen. Wer nicht arbeitet, wird misstrauisch betrachtet oder sogar verachtet. Das Prinzip des Förderns und Forderns, welches im Neoliberalismus das wichtigste wohlfahrtsstaatliche Prinzip ist, basiert aber genau auf diesem Misstrauen. Und auf der Verachtung und letztendlich der Angst vor der eignen Arbeitslosigkeit. Niemand soll sich dauerhaft in der viel beschrieenen „sozialen Hängematte“ ausruhen. Hartz-IV soll nur ein kurzzeitiger Zustand sein.
Gerade das greift allerdings die Würde der Menschen an, die gesellschaftlich als Menschen zweiter Klasse wahrgenommen werden. Sie sind vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Unter diesen Umständen ist es zweifelhaft, ob Hartz-IV ein geeignetes Mittel ist, weil es auf Angst basiert. Der psychische Druck ist eine fragwürdige und sicherlich auch eine kontraproduktive Motivation.
Die richtige Richtung
Deshalb ist es wichtig, dass das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen, die zur Erzeugung des Drucks genutzt werden, teilweise für verfassungswidrig erklärt hat. Die Beschränkung der Sanktionen auf eine Kürzung des Geldes um 30% und die verpflichtende Einzelfallprüfung stellen eine Verbesserung der Situation dar. Es ist trotzdem absurd, dass in einer verhältnismäßig wohlhabenden Gesellschaft Menschen ihre Existenzgrundlage entzogen wird.
Zur Bekämpfung von Armut ist Hartz IV nicht zu gebrauchen. Weder zur Bekämpfung der rein ökonomischen Armut, noch zur Bekämpfung von Armut, welche den Mangel von Handlungsmöglichkeiten der Menschen betrifft. Es ist ein reines Druckmittel. Um die Angst vor Arbeitslosigkeit, den Druck auf die Arbeitssuchenden und die tatsächliche Bekämpfung von Armut zu reduzieren, sind andere Instrumente notwendig. An dieser Stelle muss über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachgedacht werden.
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