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"Wir sind eine wissenschaftlich-realistische Bewegung"

Fridays For Future Demonstrierende in Würzburg, Bayern. Foto: Max Simon Schäfer
Hunderttausende Menschen werden zum globalen Klimastreik erwartet. Foto: Max Simon Schäfer

Die Fridays For Future Bewegung gibt es mittlerweile ein Jahr. Am Freitag (20.09.2019) steht der bislang größte Klimastreik an. Hunderttausende Menschen werden auf den Straßen erwartet. Auch in Würzburg wird unter dem Motto „Alle fürs Klima“ gestreikt. Die Demonstration ist Auftakt der „Week for Climate“. Im Vorfeld der Demo habe ich den Studenten und Fridays for Future Aktivisten Florian Nöhrig getroffen.

 

Wie bist du zu Fridays For Future gekommen?

 

Ich wollte mich politisch engagieren, aber in keiner Partei. Ich habe gesehen, dass Fridays For Future läuft. Und dann bin ich zu einer Demo, war aber skeptisch. Gehen die da nur zum Schulschwänzen hin? Ich fand es dann krass, mit welcher Energie die dabei waren. Es hat für mich nicht so gewirkt, dass die Leute dort nur mittrotten, um cool zu sein, sondern, dass es den Leuten wichtig ist. Ich bin dann zu einem Plenum gekommen. Ich dachte das ist ein Treffen zum Diskutieren. Es war aber nur ein Organisationstreffen. Ich habe trotzdem ein paar Vorschläge gemacht und konnte die direkt umsetzen. Und so hat sich das dann aufgebaut, dass ich auch Aufgaben übernommen habe.

 

Welche Aufgaben sind das genau?

 

Zurzeit ist es schwierig zu sagen, weil wir keine definierten Rollen haben. Es gibt auch keine Hierarchien. Ich habe viel beim großen Streik und bei der Week for Climate mitorganisiert.

 

Wie seid ihr denn strukturiert?

 

Wir sind grundsätzlich sehr lose. Man kann einfach dazukommen. Wir versuchen die neuen Leute immer direkt einzubinden, gerade, wenn sie schon öfters da waren.

 

Wie kommt das Datum des großen Klimastreiks zu Stande?

 

Am Freitag tagt das Klimakabinett und entscheidet über das Klimaschutzgesetz und über den weiteren Fahrplan von Deutschland in Sachen Klimaschutz. Nächste Woche sind auch zwei UN Vollversammlungen, wo auf globaler Ebene wichtige Entscheidungen getroffen werden. Deswegen wollen wir auch global zeigen, dass das Thema wichtig ist. Am 27.9. wäre auch der Global Earth Strike, deswegen haben wir das zu einer Aktionswoche gemacht. Über die ganze Woche verteilt sind Veranstaltungen zu verschiedenen Themen. Wir arbeiten dabei mit Leuten zusammen, die sich auch beim Umwelt- und Klimaschutz engagieren.  

 

Es gibt die Fridays for Future Bewegung über ein Jahr. Die erste Demonstration in Würzburg war im Januar. Ist die Bewegung in der Gesellschaft angekommen?

 

Ich glaube, es gibt sehr viele Leute, die mit uns sympathisieren und die es gut finden, dass wir uns einsetzen. Aber es gibt auch sehr viel Gegenwind. Wir kriegen sehr viel Aufmerksamkeit. Auch durch Berichterstattung, die nichts mehr mit uns zu tun hat, aber auf uns bezogen wird. Zum Beispiel über das Flugverhalten. Ich glaube die Leute verstehen gar nicht mehr, dass es uns darum geht, den Klimaschutz als Gesellschaft zusammen zu gestalten und dass wir drastisch etwas in der Art und Weise wie wir wirtschaften verändern müssen, aber dass wir das nicht individuell an den Leuten festmachen wollen. Wir wollen kein Shaming betreiben. Wir wollen die Leute informieren, was sie machen können, anstatt auf andere Leute mit dem Finger zu zeigen. Wir sehen Klimaschutz als gesamtgesellschaftliches Problem. Nicht als Problem jung gegen alt. Es ist ein Missstand, der durch bisherige Politik und durch unseren bisherigen Lebensstil zustande gekommen ist.

Würzburger Fridays For Future Aktivist*innen präsentiere ihre Transparente am Hauptbahnhof. Foto: Max Simon Schäfer
Das Motto des Klimastreiks lautet "Alle fürs Klima". Foto: Max Simon Schäfer

Fridays for Future im Kampf gegen die "reale Bedrohung"

Woran liegt es denn, dass die Individuen mehr im Fokus liegen?

 

Das liegt an der Berichterstattung, die die öffentliche Wahrnehmung und dann auch die Debatte verschiebt. Darin wird immer nur auf individuellen Konsum gezielt und nicht darauf, was die größten Faktoren sind. Der gesamte deutsche Flugverkehr stößt weniger CO2 aus, als das größte deutsche Kohlekraftwerk in Neurath.  Das heißt wir müssen möglichst schnell schauen, dass wir aus der Kohle rauskommen. Wir müssen die Infrastruktur dafür aufbauen. Da muss sich auf der politischen Ebene etwas ändern. Deswegen ist es für uns wichtig, die Leute nicht nur anzuregen, an ihrem individuellen Verhalten und Konsum zu arbeiten, sondern vor allem auch wahrzunehmen, dass sie eine politische Stimme haben und damit für eine gemeinsame Zukunft eintreten können.

 

Ist denn Fridays For Future eine idealistische oder eine realistische Bewegung?

 

Wir beschäftigen uns ja mit einer realen Bedrohung.

 

Häufig kommt der Vorwurf, dass die Vorstellung Kohlekraft bis 2030 abzuschalten utopisch sei, und deswegen Fridays For Future Aktivisten als Idealisten bezeichnet werden. Wie stehst du zu dieser Kritik?

 

Alle unsere Forderungen basieren auf Szenarien, die von führenden Wissenschaftlern unterschrieben und entworfen sind. Zum Beispiel, wie schnell man Kohlekraft abschaffen kann. Man kann man sich Interviews von Volker Quaschning von der TU Berlin anschauen. Er kann das gut erklären. Dass das in unserer politischen Realität, nicht machbar erscheint, ist etwas anderes. Aber dass es möglich ist und es notwendig ist, um effektiven Klimaschutz zu betreiben, daran besteht kein Zweifel. Diese ganze Debatte kommt nicht von einer wissenschaftlich fundierten Basis. Es ist alles machbar, es braucht nur den politischen Willen. Darum kümmern wir uns. Ich würde also sagen, dass wir eine wissenschaftlich-realistische Bewegung sind.

 

Wird denn hier in Würzburg genug gemacht?

 

Es ist in den letzten Jahren viel auf den Weg gebracht worden, aber es geht deutlich mehr. Gerade beim Radverkehr und der CO2 armen Infrastruktur kann man sich mehr trauen. Wir haben ja auch schon mit der Stadt gesprochen. Wir haben einen Bürgermeister mit dem man reden kann und es gibt keine konservativen Hardliner. Da geht aber noch deutlich mehr. Zum Beispiel Photovoltaikanlagen sieht man kaum. Man kann die Stadt begrünen, zum Beispiel am Marktplatz ist alles versiegelt.

 

Abgesehen vom Marktplatz: Ist Würzburg eine grüne Stadt?

 

Für Bayern schon. Ich sage immer gerne, wir sind die grünste Stadt Bayerns.

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