Wie könnten die USA im Jahr 2026 aussehen, wenn Trump weiterregiert? Diese Frage beantwortet John Niven in seinem Roman „Die Fuck-It-Liste“, der am 12. Oktober 2020 beim Verlag Heyne Hardcore erschienen ist. Der Roman versucht, politische Satire mit einem Thriller zu verbinden. Es ist beides drin, aber nichts so wirklich.
Protagonist ist der 60-Jährige Frank Brill, der in einer fiktiven Kleinstadt im Bundesstaat Indiana lebt. Er war Journalist – sogar Chefredakteur – bis die Zeitung verkauft wurde. Seitdem ist er Pensionär. Und ihm geht es schlecht. Er ist vereinsamt, depressiv und suizidal. Er hatte es nicht leicht. Zwei Beziehungen sind gescheitert; seine dritte Frau wurde bei einem Amoklauf in einer Grundschule getötet. Genauso wie sein 6-Jähriger Sohn. Er hatte außerdem eine ältere Tochter, die bereits aufs College ging, aber auch sie ist tot. Sie ist an den Folgen einer schlecht durchgeführten illegalen Abtreibung gestorben. Und Frank geht es auch körperlich schlecht. Das erfahren die Leser*innen zu Beginn. Der Roman beginnt mit einem Arztbesuch an einem kalten grauen Herbsttag. Frank hat Krebs. In etwa einem halben Jahr wird er sterben.
Die Diagnose ist für ihn aber ein Wendepunkt. Sie gibt ihm die Gewissheit des nahenden Todes und reißt ihn damit aus dem einsamen Alltag. Er beschließt, dass er eine Fantasie in die Realität umsetzen möchte. Er hat eine Liste zusammengestellt. Sie besteht aus Personen, die er für die Tiefpunkte seines Lebens verantwortlich macht. Die Personen sind seiner Ansicht nach für sein Leid, oder das Leid von Familienmitgliedern bzw. einem Freund verantwortlich. Er hat zwei private und drei politische Ziele. Er möchte die Personen töten. Dazu macht er sich auf eine Reise, die in quer durch die USA im Jahr 2026 führt.
Rassismus und Nationalismus haben in "Die Fuck-It-Liste" gesiegt
Während dieser Reise lernen die Leser*innen viel über das Land und die amerikanische Gesellschaft. Das Bild, das John Niven zeichnet, scheint dystopisch, aber doch nicht allzu fern. Viele Punkte wirken wie eine logische Fortsetzung der trump’schen Politik. Die Republikaner haben eine große Mehrheit; nur Kalifornien und New York sind noch demokratisch. Ivanka Trump ist Präsidentin, nachdem ihr Vater Donald seine zweite Amtszeit hatte. Ihre erste Amtshandlung war es, ihren Vater vor dem drohenden Gefängnis zu bewahren. Donald Trump ist aber noch eine strahlende Figur, die von der immer rassistischeren und nationalistischeren Gesellschaft fast gottgleich verehrt wird. Ein möglicher Grund ist, dass Abtreibungen komplett verboten sind. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die Einwanderungspolitik fast niemandem mehr die Einwanderung gestattet. Es gibt eine Denunziations-Hotline, bei der Einwanderer*innen gemeldet werden können. Außerdem wurden Lager an der mexikanischen Grenze eingerichtet. Dort bleiben die Menschen bis sie abgeschoben werden. Dabei werden sie von den privaten Betreiber*innen ausgebeutet. Zwangsarbeit gehört zum Lageralltag. Es gibt Berichte von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Die Schilderung dieser Lage erinnert an Konzentrationslager.
Die Polizei und anderen Behörden haben durch den „Extreme Patriot Act“ deutlich mehr Befugnisse. Dadurch ist es auch verboten, Beamt*innen zu filmen. Die Polizei kann dann Smartphones beschlagnahmen und erhält Zugang zu Social Media Konten. Das Offenlegen von Polizeigewalt ist dadurch erschwert. Die Pressefreiheit ist eingeschränkt. Das Waffenrecht ist dagegen noch liberaler als im Jahr 2020. Das führt aber dazu, dass es jeden Tag Schießereien und Amokläufe gibt, so dass drei Tote als wenig angesehen werden.
John Niven überspitzt die aktuelle Situation etwas. Und er führt einen Antagonisten ein, der wohl die Personifikation aller Vorurteile ist, die es gegenüber der amerikanischen Polizei gibt. Der Polizist Chops ist ein alter weißer Mann, der stark übergewichtig ist. Er ist rassistisch, homophob, sexistisch und gewalttätig. Dazu ist er ein Waffennarr. Chops kann demnach problemlos als Faschist bezeichnet werden. Er verfolgt Frank Brill durch das Land, weil dieser einen Freund von ihm umgebracht hat.
Die Fuck-It-Liste: Satire, wenig Spannung in John Nivens Roman
„Die Fuck-It-Liste“ will politische Satire und gleichzeitig ein Thriller sein. Und das ist auch zu erkennen. Niven arbeitet mit Überspitzungen. Die Beschreibung der politischen und gesellschaftlichen Lage bildet den Rahmen für die Handlung und erfolgt immer am Rande, wenn beispielsweise Frank über seine Tochter oder die Auswahl der politischen Ziele nachdenkt. Politik dominiert dadurch nicht, ist aber trotzdem fast immer präsent. Der Roman ist daher aber weder eine richtige politische Satire, noch ein Thriller. Es ist beides, aber nichts richtig. Die Handlung entwickelt sich zu linear und ohne wirkliche Widerstände, die größere Spannung erzeugen könnten. Am Ende wäre potential dazu dagewesen, aber auch das wurde nicht ausgeschöpft und unlogisch bzw. etwas zu einfach gelöst.
Auch der Protagonist ist nicht sympathisch. Wo Leser*innen empathisch sein könnten und sein Leid nachvollziehbar ist, gibt es auch Phasen, wo das unmöglich ist. Er hat selbst viele Fehler gemacht. Er trägt an einzelnen Rückschlägen eine gewisse Mitschuld. Und er hat vor Menschen zu ermorden, was niemals ein Mittel sein sollte. Wobei es in diesem Fall nicht einmal ein politisches Mittel ist, um eine bessere Welt zu schaffen. Er macht es fast nur aus persönlichen Gründen, um diejenigen, die für sein Leid verantwortlich sind, mitzureißen. Immerhin entwickelt er sich weiter und zeigt während der Reise durchaus ein Maß von Selbstreflektion.
John Nivens "Die Fuck-It-Liste": Warnung und Ventil der Wut
„Die Fuck-It-Liste“ wirkt wie eine Art Wutrede von John Niven. Der Rahmen, also die Gesellschaftsdarstellung, ist eine Warnung an die amerikanischen Leser*innen. Die Handlung, also die Mordserie, ist das Ventil für Nivens Wut, und die Wut von Progressiven weltweit, auf Donald Trump. Es ist eine literarische Abrechnung.
Trotz allem ist der Roman gut zu lesen. Der geringe Umfang hilft dabei. Und trotz der geringen Spannung besteht der Drang zum Weiterlesen. Die Neugier, wie verrückt die USA gezeichnet wird, überwiegt.
In John Nivens Satire-Roman "Gott bewahre" wird ebenfalls die amerikanische Gesellschaft kritisiert. Der Fokus liegt dabei auf dem Christentum in den USA.
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