Was würde Jesus sagen, wenn er im 21. Jahrhundert leben würde? John Niven geht dieser Frage in seinem Roman"Gott bewahre" nach. In der Satire führt er das paradoxe Handeln von einigen Christen gelungen
vor und präsentiert eine alternative Botschaft.
Ein Typ, der sich Jesus Christus, kurz J.C., nennt und fest davon überzeugt ist, dass er der Sohn Gottes ist, läuft durch die Straßen der USA des 21. Jahrhunderts. Jeder würde denken, dass er ein Spinner ist, der vielleicht ein, zwei oder auch zwanzigmal zu oft gekifft hat, so dass er geistig fast im Himmel schwebt. Natürlich muss er auch noch an einer Talentshow teilnehmen, wo er seine seltsamen Ansichten teilen kann und nebenbei noch super Gitarre spielt. Er ist außerdem ein Freund der Ausgegrenzten: Drogenjunkies, Obdachlose, Prostituierte usw... Er hilft ihnen, indem er Geld sammelt, um Essen zu kaufen oder die Miete zu bezahlen. Manchmal stiehlt er Essen, das weggeschmissen wird, obwohl es eigentlich noch genießbar ist. Und er steckt dafür Prügel ein und geht auch ins Gefängnis.
In "Gott bewahre": Der Schöpfer ist unzufrieden mit Menschen
Nun, da der eigentliche Jesus, also "der aus der Bibel", sich ebenfalls um ausgegrenzte und benachteiligte Menschen gekümmert hat, könnte vielleicht doch etwas an seiner unglaublichen und blasphemischen Behauptung dran sein, dass er wirklich Jesus Christus ist.
In John Nivens Satire-Roman "Gott bewahre", die 2011 erschien, ist es tatsächlich so: Er ist es und er wird von Gott zurück auf die Erde geschickt, nachdem Gott aus dem Angelurlaub im Himmel zurückgekommen ist und sieht, was sich auf der Erde während seiner Urlaubszeit zugetragen hat. Sklaverei, Weltkriege, Umweltverschmutzung, Bonuszahlungen an Manager, während ein riesiger Teil der Erdbevölkerung hungert. Es muss also etwas getan werden. Aus diesem Grund schickt er Jesus, der seine Zeit im Himmel mit Jimi Hendrix verbracht hat, mit dem er Gitarre spielt und Marihuana konsumiert, auf die Erde um Gottes einzige wirkliche Botschaft zu verkünden: Seid lieb.
John Niven rechnet in Roman "Gott bewahre" mit Fanatikern ab
John Niven regt in "Gott bewahre" auf eine überwiegend lustige Art zum Nachdenken an. Viele Ansichten der gläubigen Christen, die nicht mehr zeitgemäß erscheinen, werden deutlich gezeigt. Beispielsweise gibt es eine Situation, in der sich Jesus und seine Freunde in einer Kleinstadt befinden, wo sie eine Menschenmenge vorfinden, die gegen ein Krankenhaus demonstrieren, wo aidskranken Menschen geholfen wird. Ein Mann kommt aus dem Gebäude und wird von den Demonstranten beleidigt und gestoßen. Jesus geht dazwischen. Er fragt die Menschen, ob es ein Problem gebe und diese entgegnen, dass es die Klinik und Beratungsstelle sei, da sie nicht wollen, dass die Aidskranken die Menschen der Stadt infizieren. Sie seien gute Christen. Jesus entgegnet, dass sie es nicht sind, da ihre Ansichten falsch seien. Jesus Gruppe nimmt letztendlich den Mann, der von dem Mob angefeindet wurde auf und hilft ihm, seine Medikamente zu bezahlen.
Das ist ein Beispiel der Situationen im Roman "Gott bewahre", wo sich die "guten Christen" nicht sehr christlich verhalten haben. Anstatt den Ausgegrenzten zu helfen, damit diese wieder eine Perspektive haben, werden diese beleidigt und gefordert, dass eine Institution, die tatsächlich hilft, geschlossen wird. Statt wirklich etwas zu machen, definieren die "gute Christen" in dieser Kleinstadt ihren strengen Glauben nur dadurch, dass sie jeden Abend beten. Es sollte dabei doch viel eher auf die Taten ankommen.
John Nivens "Gott bewahre": Bezug zu christlichen Parteien in Deutschland
Teilweise lässt sich bei den christlichen Parteien in Deutschland etwas Ähnliches beobachten. Die Christlich Soziale Union (CSU) in Bayern beispielsweise verbindet das christliche und soziale in ihrer Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge eher ungenügend. Ungenügend ist hier wohl eine treffende Note für die Politik, da die Partei zwar bereit ist Menschen zu helfen und diese aufzunehmen aber nur bis zu einer bestimmten Anzahl. Wenn mehr als 200 000 oder 65 000 Menschen in einem Jahr kommen, werden die anderen nicht aufgenommen.
Ein anderes Beispiel, das nun auch die Christlich Demokratische Union (CDU) und den Rest Deutschlands betrifft, ist die "Ehe für alle", die ja tatsächlich durchgesetzt wurde, aber größtenteils nicht durch die Stimmen der Union. Für Jesus waren also alle Menschen gleich und hätten dann folglich die gleichen Rechte. Für eine Pfarrerstochter aus Vorpommern und Teile ihrer Partei sind sie es nicht? Oder falls doch, wieso sollte man sie dann nicht gleich behandeln?
J. C. aus John Nivens "Gott bewahre" hätte also auch bei uns einiges zu tun. Man muss aber auch sagen, dass es sehr viele christliche Einrichtungen gibt, die Menschen, welche am Rand der Gesellschaft sind, helfen. Und es gibt ja auch Sozialleistungen vom Staat, die immerhin eine Grundversorgung gewährleisten. Die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland sichert die Menschen vor dem kompletten sozialen Absturz ab. Zumindest in der Theorie.
John Nivens Roman "Gott bewahre" zeigt Misstände in Religion und Wirtschaft auf
Die freie Marktwirtschaft, der Kapitalismus in Reinform, wird von Niven natürlich auch behandelt. Die Talentshow im Roman "Gott bewahre" ist aufgrund der Geldgier des Produzenten nur auf maximalen Gewinn ausgerichtet. Die Menschen sind egal, seien es die Zuschauer oder die Teilnehmer. Letztere müssen sich anpassen, so dass es den typischen Zuschauern gefällt, damit diese möglichst zahlreich zuschauen und viel Werbung sehen.
Des Weiteren ist die Schere oder die Kluft zwischen Arm und Reich ein omnipräsentes Thema. Die Reichen, in diesem Buch der Produzent, werden immer reicher. Es ist ihnen egal, dass sie schon hunderte Millionen Dollar besitzen, sie wollen immer mehr. Und am anderen Ende müssen sie ihre Gitarren verpfänden, um sich Sandwiches kaufen zu können.
John Nivens Satire-Roman "Gott bewahre" verdeutlich die Misstände in den Kirchen auf eine humorvolle, aber teilweise auch ernste Weise. Neben dem Fokus auf Jesus werden auch allgemeinere Probleme angesprochen: Der Klimawandel und die soziale Ungleichheit. Obwohl das Buch bereits 2011 erschienen ist, ist es im Jahr 2017 immer noch aktuell und das wird es wohl auch noch 2018 und in vielen Jahren sein. Lösungen für diese Probleme werden leider keine genannt, allerdings ist die große Botschaft "seid lieb" ein Anfang. Gerade an Weihnachten lohnt es sich darüber nachzudenken, denn wenn wir nicht lieb sind, gibt es vielleicht keine Geschenke.
Frohe Weihnachten.
Im Satire-Roman "Die Fuck-It-Liste" rechnet John Niven mit der Präsidentschaft Donald Trumps ab.
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