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Manja Präkels „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“: Wie aus Nachbarskindern Nazis werden

Wie werden Nachbarskinder zu Nazis? Das zeigt Manja Präkels Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“. Der Roman ist eine Warnung und ein Plädoyer für mehr zivilgesellschaftliches Engagement.

 

„Wir leben in Höhlen. […] Dort suchen wir Schutz. Doch den gibt es nicht. Die Grenze zwischen Albtraum und Wirklichkeit ist durchlässig.“ Mit diesem Satz beginnt die Ich-Erzählerin Mimi Schulz das dritte Kapitel von Manja Präkels Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“. Zuvor floh sie aus ihrer kleinen brandenburgischen Heimatstadt nach Berlin. Aber der Reihe nach.

 

Manja Präkels erzählt die Kindheit und Jugend der Protagonistin Mimi Schulz in einer fiktiven Kleinstadt an der Havel in Brandenburg. Zu Beginn beschreibt die Ich-Erzählerin ein relativ idyllisches Familienleben. In der Schule hat sie es jedoch schwer: Sie gilt als Streberin. Und ihre Mutter ist Lehrerin und Pionierleiterin. Und Sozialistin, die zu diesem Zeitpunkt während der letzten Zeiten der DDR sehr unbeliebt ist.

 

Meistens geht sie jedoch anderen Kindern und Jugendlichen aus dem Weg und angelt mit ihrem Jugendfreund Oliver. Auch er geht anderen aus dem Weg. Später distanziert er sich von Mimi, als diese in Pionierlager fährt. Im Buch klingt auch an, dass Olivers Opa ein Nazi war.

 

"Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß": Zusammenbruch der DDR führt zu Kulturschock

Dann bricht die DDR zusammen und die Wiedervereinigung Deutschlands kommt. Und damit geht auch ein Bruch in Manja Präkels Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ einher. Die Welt ist aus den Fugen geraten; die Wende ist für die Menschen auf dem Dorf ein Kulturschock.

 

Mit der Gegend und der Kleinstadt geht es bergab. Viele Menschen verlieren ihre Arbeit. Und auf einmal sind überall Nazis. Zumindest zeigen sie sich jetzt öffentlich. Jungs aus der Nachbarschaft rasieren sich die Haare ab und greifen Ausländer:innen an. Oliver, der Jugendfreund der Ich-Erzählerin, wird zum Anführer und nur noch „Hitler“ genannt. Mimi und ihre Freunde sind auf einmal „Zecken“.

 

Nazis übernehmen den öffentlichen Raum in "Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß"

Manja Präkels schildert im Roman, wie die Nazis den öffentlichen Raum übernehmen. Alle, die nicht ins Bild der Faschist:innen passen, werden angegriffen. Linke Kneipen werden überfallen. Dabei stirbt sogar ein Freund der Ich-Erzählerin. Auch vermeintlich „normale“ Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gehen abends nicht mehr auf die Straße, weil dort die Nazis rumlungern. Ein Fest, das Mimi und ihre Freunde organisieren, muss von der Polizei geschützt werden.

 

Im Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ können die Nazis alles machen, was sie wollen. Sie prägen das gesellschaftliche Leben. Die politische Mitte in dem Buch sieht weg. Dadurch werden Menschen mit anderen Lebensentwürfen dem Terror der Faschist:innen preisgegeben. Das passiert auch deshalb, weil Angriffe verharmlost werden. Schließlich sind die Nazis keine Fremden, sondern die Jungs von nebenan, die die Leute schon seit sie Kinder sind kennen. Teilweise findet dann sogar eine Täter-Opfer-Umkehr statt. Mimi und ihre Freunde dürften die Nazis eben nicht so provozieren.

 

Manja Präkels "Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß": Stummes Plädoyer für antifaschistisches Engagement

Das Buch ist dadurch eine Warnung davor, Nazis zu normalisieren, sie in der Öffentlichkeit zu dulden. Außerdem ist es ein stummes Plädoyer für zivilgesellschaftliches antifaschistisches Engagement, indem es zeigt, was passiert, wenn das ausbleibt und sich niemand den Faschist:innen entgegenstellt.

 

Manja Präkels beschreibt das auf so eine nüchterne, fast sachliche Art, die Angst macht. Es wirkt real. Und irgendwie ist es das auch, angesichts der Angriffe auf die Flüchtlingsheime und die Unterkünfte für Vertragsarbeiter in Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992, sowie die Angriffe auf Geflüchtete während der sogenannten Flüchtlingskrise 2015. Dadurch wird auch die Hilflosigkeit der Protagonist:innen im Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ deutlich. Leser:innen können die Angst vor weiteren Angriffen der Nazis wirklich spüren.

 

Während Manja Präkels in ihrem Roman schildert, wie es passieren kann, dass alte Mitschüler:innen zu Nazis werden, blickt Susanne Kerckhoff in ihrem Roman "Berliner Briefe" auf den demokratischen Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.

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