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Die ARD-Serie "Parlament: Von Eurokraten und Haien

Eine Fernsehserie über das Europäische Parlament? Das klingt schwierig: Komplexe politische Prozesse, verschiedene Kulturen und Sprachen prägen das politische System. Und Politik allgemein kann anstrengend sein. Die belgische, deutsche und französische Satire-Serie „Parlament“ bringt den Alltag der EP-Abgeordneten und ihrer Assistent*innen liebevoll näher.

 

Die Europäische Union ist ein verwirrendes Konstrukt. Das bemerkt der junge Franzose Samy Kantor schon an seinem allersten Arbeitstag im Europäischen Parlament. Der Protagonist in der Serie "Parlament" muss den Abgeordneten finden, für den er arbeiten soll. Das ist noch eine der leichteren Übungen und Samy findet Michel Specklin relativ schnell. Weil dieser allerdings während seiner Zeit in Brüssel vor der Arbeit wegläuft, muss Samy ihn direkt an seinem ersten Tag im Fischerei-Ausschuss vertreten. Nichtsahnend lässt er sich beschenken. Und zwar mit der Aufgabe, einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Das Thema: Finning, also das Abtrennen der Rückenflosse von Haien zum Verkauf, soll verboten werden. Ein richtiges Geschenk ist die Aufgabe allerdings nicht.

 

Samy kennt sich kaum aus, so dass er sich Hilfe sucht. Und er bekommt Hilfe. Allerdings lernt er schnell, dass auch die EU – Achtung, jetzt kommt ein sehr naheliegendes Wortspiel – ein Haifischbecken ist. Er lernt Lobbyist*innen, andere Assistent*innen, politische Berater*innen und Abgeordnete kennen, die ihm Hilfe anbieten. Aber jede*r ist auf das eigene Interesse aus, so dass Samy sich nie wirklich sicher sein kann, wem er vertrauen kann. Abgesehen von Rose, der Assistentin einer UKIP (Partei für die Unabhängigkeit des Vereinigten Königreichs)-Abgeordneten, also eigentlich einer politischen Gegnerin.

ARD-Serie "Parlament": Defizite des EU-Parlaments im Blick

Die erste Staffel der Serie "Parlament" begleitet Samy auf seiner Mission durch die parlamentarischen Prozesse – inklusive aller bürokratischen Anforderungen. Dadurch lernen Samy und die Zuschauer*innen, wie kompliziert Demokratie sein kann, wenn Menschen aus 28 Ländern (die Staffel spielt vor dem Brexit) mit nationalen und parteipolitischen Interessen einen Kompromiss aushandeln wollen. Es bringt gewissermaßen die europäische Demokratie näher.

 

Zeigt aber auch die negativen Aspekte auf: Lobbyismus, an Partikularinteressen statt dem Gemeinwohl orientierte Gesetzgebung und Intrigen. Die ARD-Serie „Parlament“ erinnert deshalb fast an House of Cards. Außerdem werden stereotypische nationale Blickweisen auf die EU kritisiert. Dabei ist das keine Kritik an der EU selbst, sondern an den Mitgliedsstaaten, die alle auf ihre unterschiedlichen Weisen die EU zu ihrem Vorteil nutzen wollen. „Willkommen in der Demokratie, B*tch“, fasst es die deutsche Abgeordnete Ingeborg ganz gut zusammen.

 

Protagonist*innen in der Serie "Parlament" sind überzeugte Europäer*innen

Trotz aller Kritik, die in "Parlament" durchschwingt, ist die Serie auch ein Bekenntnis an die europäische Idee und die Demokratie allgemein. So kommen die EU-Feinde an mehreren Stellen nicht gut weg. Personifiziert werden sie durch die tollpatschige und naive UKIP-Abgeordnete Sharon. Die Serie arbeitet dabei nicht mit einem erhobenen Zeigefinger. Es ist keine belehrende Serie, sondern vor allem Unterhaltung. Und sogar die Serienmacher selbst nehmen sich auf den Arm: „A TV-Show about Europe? Boring!“.

 

Die Schauspieler*innen sind allesamt gut; besonders Xavier Lacaille verkörpert den positiven Samy, der nie wirklich den Sinn für Humor verliert, gut. Auch Christine Paul, die die Eurokratin Ingeborg mit ihrem klischeemäßigen deutschen Führungsanspruch spielt, macht einen guten Job. In der Serie wird Französisch, Englisch und Deutsch gesprochen. Das macht die Serie realitätsnäher. Auch werden in der Serie Probleme aufgezeigt, die durch die Vielsprachigkeit der Institution entstehen können.

 

Die ARD-Serie "Parlament" meistert konzeptionelle Herausforderungen gut

Eine Serie über die EU kann also alles andere als langweilig sein. Den Macher*innen hinter „Parlament“ ist es jedenfalls gelungen, das Geschehen des Europäischen Parlaments liebevoll und witzig zu zeigen. Die Serie kann ein Beitrag sein, dass sich Zuschauer*innen stärker mit der Europäischen Union auseinandersetzen und identifizieren. Aber vielleicht ist diese Hoffnung zu weit hergeholt. Die Beteiligten haben durch die Serie jedenfalls ihr Bekenntnis zur Europäischen Idee gezeigt.

 

„Parlament“ ist seit dem 29. September in der ARD-Mediathek zu finden. Ab dem 6. Oktober 2020 läuft die Serie immer dienstags um 20:15 Uhr auf ONE.

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