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Sally Rooney „Schöne Welt, wo bist du“: Ein Roman wie eine Vorabendserie

Sally Rooney beschreibt in „Schöne Welt, wo bist du“ Teile ihrer Generation, ist damit aber keinesfalls deren Stimme.

 

Sally Rooneys neuster Roman „Schöne Welt, wo bist du“ erinnert stark an die beiden Vorgänger: Junge Menschen, in diesem Fall die Schriftstellerin Alice, die Verlagsmitarbeiterin Eileen, Eileens Jugendfreund Simon sowie Alices Tinder-Date Felix, leben vor sich hin, diskutieren über gesellschaftliche und politische Themen und versuchen irgendwie, ihre Leben und vor allem ihre Beziehungen und Freundschaften auf die Reihe zu bekommen.

 

„Schöne Welt, wo bist du“ von Sally Rooney: Alte Themen, junge Protagonistinnen

Eine weitere Beschreibung erscheint an dieser Stelle unpassend, weil dadurch jedes Lesen überflüssig gemacht würde. Die Probleme der Protagonistinnen sind jedenfalls nichts Neues. Rooney wählt zwar Figuren, die ihr selbst ähneln und einen ähnlichen Lebensweg einschlagen, also Frauen um die 30, die am Trinity College in Dublin studiert haben, im Literaturbetrieb arbeiten, sich in ihrem Lebensweg selbst hinterfragen und dabei irgendwie versuchen, ihre Freundschaften und ihr Beziehungsleben zu sortieren.

 

Die Themen Freundschaft, Beziehungen und Selbstzweifel betreffen vermutlich alle Menschen, unabhängig von Bildungsgrad, Herkunft und auch Alter, so dass jede:r mit den Figuren im Roman mitfühlen kann.

 

Ergänzt werden diese allgemeinen Themen durch den durchaus politischen Austausch der beiden Protagonistinnen Alice und Eileen, durch die die marxistisch geprägte Rooney ihrem Roman eine gesellschaftskritische Note verleiht.

 

Sally Rooneys „Schöne Welt, wo bist du“: Wohlfühlroman ohne Kontroversen

Dennoch bleibt „Schöne Welt, wo bist du“ ein Wohlfühlroman, dessen Themen zwar für alle Menschen relevant, aber doch nicht wirklich aufrüttelnd und kontrovers sind. Eine Verfilmung könnte problemlos anstelle von Rosamunde Pilcher im ZDF oder irgendeiner Vorabendserie in der ARD laufen.

 

So konservativ dieses Publikum wäre, so konservativ kommt dann auch der Rooneys Roman daher: Nicht nur zeigt sie die konservative Sehnsucht

 

+nach einem guten Ende der Geschichte, so der Vorwurf von Simon Sahner vom Online-Feuilleton 54books. Auch die eigentlich progressive Feministin Eileen ordnet sich ihrem Partner unter, der als starker Kümmerer dargestellt wird. Und auch Alice ist eine gewisse Abhängigkeit spürbar.

 

„Schöne Welt, wo bist du“: Sally Rooney beschreibt einen Teil der Millennials, spricht aber sicher nicht für alle

Sally Rooney liefert in „Schöne Welt, wo bist du“ eine Beschreibung der Lebenswelt ihrer Generation der sogenannten Millennials, oder zumindest eines mehr oder weniger privilegierten Teils davon. Ob sie jedoch die „wichtigste literarische Stimme ihrer Alterskohorte“ oder die Stimme der Generation, ist, wie häufig geschrieben wird, ist doch eher fraglich. Die Reichweite dazu hat Sally Rooney zwar, inhaltlich wird sie dieser Zuschreibung, die vermutlich alle jungen Künstlerinnen bzw. Schriftstellerinnen von uninspirierten Kulturjournalist:innen bekommen, nicht gerecht.

 

Das Spezifische, das die Generation zu dieser Zeit ausmacht, fehlt, damit diese Zuschreibung wirklich passend ist. Stattdessen werden wohl andere Generationen dieselben Probleme in diesem Alter gehabt haben bzw. sind die Themen, zum Beispiel das Pflegen von Freundschaften, nicht altersspezifisch.

 

Von einer Stimme einer Generation darf man außerdem klügere Stellungnahmen, als antiisraelische Boykottaufrufe erhoffen, wie Rooneys Wunsch, „Schöne Welt, wo bist du“ nicht von einem israelischen Verlag auf Hebräisch veröffentlichen zu lassen.

 

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