„Schlafschafe“ (ZDF): Mit einer Schwurblerin unter einem Dach

In der Miniserie „Schlafschafe“ widmet sich das ZDF der aktuellen Corona-Pandemie und zeigt, welchen Einfluss Verschwörungserzählungen auf Familien und Freundschaften haben können.

Wer in den sozialen Netzwerken auf Verschwörungsgläubige gestoßen ist und versucht hat, mit ihnen zu diskutieren, wird verzweifelt sein. Bei der Diskussion geht es nicht um den Austausch von Meinungen und Gedanken, um zu einer neuen Erkenntnis zu gelangen, wie es in einer idealtypischen Diskussion wäre. Es geht einzig und allein darum, recht zu haben.

Gerade bei Verschwörungstheoretiker:innen ist das so. Sie denken, dass sie einen vermeintlich großen Plan der Mächtigen durchschaut hätten und fühlen sich den „Schlafschafen“ überlegen. Das Schöne im Internet ist dann, dass eine aussichtslose Diskussion einfach beendet werden kann. Was ist aber, wenn ein Familienmitglied in diesen Sumpf aus Falschinformationen und Verschwörungserzählungen abdriftet? So geht es Lars in der ZDF-Serie „Schlafschafe“.

Die ZDF-Miniserie „Schlafschafe“ spielt während der Corona-Pandemie. Lars hält sich an die Maßnahmen, hört auf Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen und arbeitet im Homeoffice. Er ist normal. Seine Frau Melanie hält ihn jedoch für ein „Schlafschaf“.

Sie hat durch die Corona-Pandemie ihren Arbeitsplatz als Fitnesstrainerin verloren und hat sich seitdem mit Verschwörungserzählungen beschäftigt. Sie ärgert sich über Lars, der ihrer Meinung nach einfach nicht aus seiner kleinen Welt herauskomme. Dabei legt sie die für Verschwörungsgläubige typische Arroganz an den Tag: Sie selbst ist aufgewacht und überblickt die große Verschwörung. Unterstützt wird diese Haltung durch den herablassenden Blick, den Melanie-Darstellerin Lisa Bitter sehr gut beherrscht.

Lars fällt das Abdriften Melanies in Verschwörungserzählungen zunächst nicht auf – oder er will es nicht wahrhaben. Erst bei einem Besuch von gemeinsamen Freunden, darunter eine Krankenschwester auf einer Intensivstation, offenbart sich Melanie für ihn als Verschwörungsgläubige. Sie behauptet Masken seien schädlich. Die Krankenschwester wird sauer und so leidet die erste Freundschaft unter den Verschwörungserzählungen.

Die ZDF-Serie „Schlafschafe“ folgt schließlich Lars, wie er langsam herausfindet, was Melanie glaubt und wie tief sie in den Sumpf eingesunken ist. Er reagiert ungläubig, zeigt aber Empathie und versucht, auf sie zuzugehen. Wie Melanies Freundschaft zur Krankenschwester Franzi bröckelt aber auch die Ehe der beiden. Leidtragender ist auch der gemeinsame Sohn Janosch, der nicht weiß, wem er glauben soll, und der selbst seinen besten Freund verliert.  

Das ZDF greift mit der Serie „Schlafschafe“ relativ schnell ein aktuelles Thema auf: Verschwörungserzählungen während der Corona-Pandemie. Und es gelingt auch: Die inneren Konflikte der beiden erwachsenen Protagonist:innen ist spürbar. Auf der einen Seite lieben sie sich, auf der anderen Seite haben sie grundverschiedene Weltanschauungen, die sich nur schwer vereinbaren lassen. Beide wirken frustriert und hilflos.

Die inneren Konflikte der Figuren sich auch deshalb greifbarer, weil sie immer wieder die vierte Wand durchbrechen und zu den Zuschauer:innen sprechen. Einerseits sagen sie, was sie vermutlich gerne auch tatsächlich gesagt hätten, andererseits erklären sie sich auch.

So zeigen die Autor:innen Matthias Thönnissen und Zarah Schrade auch einen möglichen Grund dafür, dass Menschen in Verschwörungstheorien abdriften. In einer Szene, als sich Melanie ans Publikum wendet, regt sie sich darüber auf, dass alle nur über die Corona-Maßnahmen sprechen, aber niemand über häusliche Gewalt redet. Hinter den Verschwörungsgläubigen stecken also auch echte Menschen mit berechtigten Sorgen.

Hier ist das ZDF mit der Serie „Schlafschafe“ besonders aktuell; schließlich erschien sie nur wenige Wochen nach den #allesdichtmachen-Videos von Schauspieler:innen, die das bei ihrer Kritik zumindest teilweise zum Thema machen.