Von Max Schäfer
Am Dienstag, den 10. Juli, hat Innenminister Horst Seehofer seinen sogenannten Masterplan Migration vorgestellt. Das Ziel ist die Ordnung und Begrenzung der Zuwanderung zur Bundesrepublik Deutschland. Der Plan beinhaltet 63 Maßnahmen, die in vier übergeordnete Handlungsfelder gegliedert sind. Die Handlungsfelder umfassen die Herkunftsländer, die Transitländer, die EU und das Inland. Vorrausgegangen waren zähe Verhandlungen innerhalb der Unionsfraktion und der großen Koalition.
Neben der Ziele, also der Wiederherstellung der Ordnung und der Begrenzung von Zuwanderung, wird in der Präambel die Notwendigkeit des Zusammenhalts im Inneren genannt und die genannten Ziele begründet. Ebenfalls genannt wird die zum Zuwanderungskorridor umbenannten Obergrenze von 180.000 bis 220 000 Flüchtlingen pro Jahr.
Die Inhalte des Plans
Die Maßnahmen, welche die Herkunftsländer betreffen, konzentrieren sich darauf die Fluchtursachen zu bekämpfen. Dazu zählen der Aufbau von Infrastruktur, Investitionen in Bildung und Beschäftigung und die Einrichtung von Beratungszentren in verschiedenen afrikanischen Staaten sowie Serbien und Kosovo. Außerdem sollen Maßnahmen zur Rückkehr von Millionen Flüchtlingen getroffen werden, beispielsweise Beratungen zur freiwilligen Rückkehr und Qualifizierungsmöglichkeiten.
Transitländer sollen finanziell unterstützt werden. Außerdem sollen sogenannte "sichere Orte" geschaffen werden, die im Umfeld von Krisengebieten Flüchtlingen als Anlaufstelle dienen. Flüchtlinge aus dem Mittelmeer sollen beispielsweise nach Nordafrika zurückgebracht werden.
Die EU-Grenzschutzorganisation Frontex soll durch mehr Personal sowie die Ausweitung des Einsatzgebietes verstärkt werden. Außerdem soll ein gemeinsames europäisches Asylsystem geschaffen werden, das die Verfahren beschleunigen soll und für einheitliche Standards im Bereich der Aufnahmebedingungen sowie Leistungen sorgen soll.
Die Maßnahme Nummer 27 ist vermutlich die bekannteste, immerhin wurde sie in der vorausgehenden Debatte sehr kontrovers diskutiert. Die Rede ist von den Transitzentren an der Grenze zu Österreich. Durch sie soll verhindert werden, dass Asylbewerber nach Deutschland einreisen, die bereits Anträge in anderen Ländern gestellt haben. In diesen Zentren soll eine "Zurückweisen auf Grundlage einer fiktion der Nicht-Einreise" erfolgen. Das erfordert allerdings Abkommen mit den Ländern, in welchen die Erstanträge gestellt wurden. Nach Angaben Seehofers betrifft das allerdings fünf Personen täglich.
Da es sich hierbei lediglich um eine sehr kurze Zusammenfassung der in meinen Augen wichtigsten Maßnahmen handelt, ist es zu empfehlen, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. Er ist hier zu finden (zuletzt geprüft am 12.07.2018).
Viele Maßnahmen sind in meinen Augen sinnvoll, wie beispielsweise die Investition in die Herkunftsländer. Aber auch in diesem Teil des Plans gibt es Formulierungen, die nett formuliert, undifferenziert und damit eines Papiers eines deutschen Innenministers nicht würdig sind. Dabei spielt natürlich auch meine persönliche Wahrnehmung eine Rolle. "Wir wollen keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Unsere Sozialleistungen dürfen keinen Anreiz für den Zuzug nach Deutschland bieten. Deswegen muss die Ausgabe von Sachleistungen gegenüber Geldleistungen Vorrang haben." Einerseits ist das natürlich richtig, auf diese Weise sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen keine Anreize zu liefern nach Deutschland zu kommen. Andererseits muss dann aber den Flüchtlingen, früher die Möglichkeit zu geben, eine Ausbildung anzufangen oder allgemein zu arbeiten. Die Qualitätssteigerung der Integrationskurse sehe ich hierbei allerdings als einen Schritt in die richtige Richtung. Die Formulierung klingt für mich allerdings erneut nach dem Vorwurf des Asyltourismus, der von der AfD und Teilen der CSU verwendet wird.
"Wer ein Auskommen hat, flieht nicht aus seiner Heimatregion." Dieser Satz bei der Vorstellung der zweiten Maßnahme ist in meinen Augen ebenfalls undifferenziert. Man könnte glauben, dass das Innenministerium davon ausgeht, dass nur Arbeitslose nach Deutschland kommen. Natürlich gibt es das. Bei einer solchen Formulierung wird allerdings außer Acht gelassen, dass hauptsächlich Menschen aus Kriegsgebieten nach Deutschland kommen. Im Juni 2018 kamen 21.578 Asylbewerber aus Syrien und 8.259 aus dem Irak.
Fazit zur Fraktions- und Koalitionskrise
Der Weg bis zu diesem Vertrag war sehr langwierig und die Debatte um die Einwanderungspolitik führte beinahe zu einer Trennung der Unionsfraktion und gefährdete ebenfalls die Regierungskoalition. Es kam allerdings zu einer Einigung der Union und der SPD, die von Seiten der CSU sowie der SPD als Sieg gewertet wurden. Eine Änderung der SPD war die Änderung der Transitzentren zu Transitverfahren und die Vorbereitung eines Zuwanderungsgesetzes. Im Rahmen der Transitverfahren sollten Asylbewerber, die bereits einen Antrag gestellt haben, innerhalb von 48 Stunden und in Räumen der Bundespolizei bearbeitet werden. Der Kompromiss der Koalition wurde am 5. Juli geschlossen.
Im vorgestellten Masterplan ist allerdings wieder von Transitzentren die Rede. Seehofer begründet das damit, dass es ein Plan seines Innenministeriums sei und keiner der Koalition. SPD-Vize Ralf Stegner sagte, die SPD fokussiere sich allerdings weiterhin auf den Koalitionsvertrag.
Das Übergehen der SPD zeichnete sich allerdings schon in der Diskussion über die Transitzentren ab. Es war ein Machtkampf zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer und der CSU. Angesichts der anstehenden Landtagswahl in Bayern wollte die CSU wohl ihren Einfluss auf Bundesebene beweisen und konservative und flüchtlingsfeindliche Wählerschichten zurückgewinnen.
"Diesem Masterplan liegt eine Überzeugung zugrunde, dass unser Land seine Verantwortung nach Außen nur wahrnehmen kann, wenn zugleich der Zusammenhalt im Inneren erhalten bleibt". Dieser Satz in der Präambel des Plans wirkt angesichts des unionsinternen Machtkampfes und des Übergehens der SPD zynisch. Der gesamte Prozess lässt an der Zuverlässigkeit der CSU als Koalitionspartner zweifeln, da sich Seehofer über Absprachen hinwegsetzt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Aussage Seehofers, dass er zurückschauend nichts anders machen würde.
Das Ausmaß der Debatte im Allgemeinen und der Machtkampf zwischen Merkel und Seehofer im Besonderen, lassen an der Stabilität der Regierung weiter zweifeln. Die CSU steht im bayrischen Wahlkampf unter Druck, da sie ziemlich sicher ihre absolute Mehrheit verlieren. Trotzdem sollten Seehofer und Co. in der Lage sein, Kompromisse zu schließen. Dank dieses Machtkampfes muss es die CSU in Bayern ebenfalls lernen, da sie wohl nicht mehr alleine regieren können. Ebenfalls besorgniserregend ist das bayrische Selbstverständnis ( oder auch der Größenwahn) der CSU, dass sie auf Bundesebene machen könnten, was sie wollen. Seehofer als Minister in Merkels Kabinett hat zwar durch das Ressortprinzip das Recht, sein Ministerium selbstständig zu leiten. Dabei muss er sich allerdings an die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin halten. Angela Merkel erhielt aus diesem Grund Kritik von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder, der ihr Führungsschwäche vorwirft. Sie solle kein Ultimatum eines Ministers akzeptieren.
Die SPD geht zwar weiterhin vom Koalitionsvertrag aus und möchte, laut Stegner, die Debatte nicht weiter führen, da sie nur der AfD nütze, allerdings muss sie aufpassen, dass sie nicht als einfacher Mehrheitsgeber missbraucht und bei zukünftigen Debatten ebenfalls übergangen wird.
Wenn man den ganzen Prozess kurz zusammefassen will, muss man wohl sagen, dass der Plan und ein kommendes Einwanderungsgesetz notwendig ist, die Debatte darum allerdings die Labilität der Koalition und sogar der Union an sich offenbart.
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