Wähler:innen entscheiden sich immer häufiger für Kleinparteien. Das ist Ausdruck einer immer vielfältigeren Gesellschaft. Das politische System sollte sich der Entwicklung anpassen. Ein Kommentar.
Am Sonntag (14.03.2021) war Landtagswahl in Baden-Württemberg. Die Grünen bleiben stärkste Kraft und Winfried Kretschmann bleibt Ministerpräsident; die CDU fährt ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg ein. Die Fortsetzung der bisherigen grün-schwarzen neuen „Großen Koalition“ oder eine mögliche Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP sind möglich. So viel zu den wichtigsten Fakten zur Wahl im „Ländle“. Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Aspekt, der normalerweise bei der Verkündung und Interpretation der Wahlergebnisse nur am Rande vorkommt: der graue Balken der sonstigen Parteien.
Sonstige Parteien: Dasein am Rande der Parteienlandschaft
Sie alle sind ziemlich irrelevant. Die Kleinparteien erhalten normalerweise nur wenige Stimmen und haben einen Anteil von null bis zwei Prozent. Damit fallen sie unter die Fünf-Prozent-Hürde und sind nicht im jeweiligen Parlament vertreten. Sie haben damit also kam Einfluss auf die Regierungsbildung, oder? Das ist ein Trugschluss. Nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg steht die Klimaliste in der Kritik. Sie hat 0,9 Prozent der Stimmen erhalten. Trotzdem hat sie damit verhindert, dass eine grün-rote Landesregierung möglich ist. Grünen und SPD fehlt dazu ein Mandat im Landtag.
Das ist aber nicht der einzige Grund, warum sich ein Blick auf die sonstigen bei der Landtagswahl lohnt. Allein der Stimmenanteil, also die Größe des Grauen Blocks, ist bemerkenswert. Die Kleinparteien – die Linken (3,6 Prozent) und Freien Wähler (3 Prozent) eingeschlossen – erhielten zusammen 12,1 Prozent. Das sind etwa 582.000 Stimmen. Damit gehen sehr viele Stimmen verloren. Die Wähler:innen werden nicht in ihrem Sinn repräsentiert.
Das Parteiensystem sollte sich an die Pluralisierung der Gesellschaft anpassen
Das Ideal der parlamentarischen Demokratie, die Bürger:innen eines Landes möglichst genau zu repräsentieren, wird so nicht erfüllt. Es wird Zeit, die Sperrklausel auf den Prüfstand zu stellen und die Repräsentationslücke zu schließen. Das politische System sollte mit der Zeit gehen.
Die Themen und Probleme, welchen sich die Politik stellen muss, werden immer vielfältiger und komplexer. Zusätzlich brechen klassische Milieus weg, die Parteien traditionell als ihre Stammwähler:innen sehen. Die Gesellschaft wird vielfältiger. Die Parteienlandschaft hat sich dem schon angepasst. Das sollte auch das parlamentarische, demokratische System machen und die Gesellschaft auch in den Landtagen genauer abbilden.
Andere Vorzeichen als bei der Einführung der Sperrklausel
Aber die Sozialstruktur hat sich verändert. Auch die Voraussetzungen sind andere. Eine Sperrklausel soll die Zersplitterung des Parteiensystems verhindern. Dadurch soll die Mehrheitsfindung für die Regierung erleichtert werden. In Deutschland wird dabei häufig auf die Zustände in der Weimarer Republik verwiesen. Die damalige Gesellschaft kam jedoch aus einer Monarchie und war entsprechend autoritär geprägt. Die Demokratie wurde als politisches System neu eingeführt und wurde mit mehreren Krisen und Putschversuchen konfrontiert. Zusätzlich gab es die KPD und die NSDAP, die aktiv gegen die Demokratie arbeiteten. Heute haben wir eine ganz andere politische Kultur. Die überragende Mehrheit der Gesellschaft ist demokratisch.
Demokratische Parteien können sich auch austauschen. Demokratie lebt von Debatten. Die Integration von Abgeordneten einer Kleinpartei in eine Fraktion oder sogar Regierung mit ähnlichen programmatischen Schwerpunkten ist dann durchaus machbar. Im Europäische Parlament und auf kommunaler Ebene wird das bereits praktiziert.
Auch die Klimaliste ließe sich im Baden-Württembergischen Landtag in die Fraktion der Grünen und in eine Landesregierung mit Grünen und SPD integrieren.
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