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The Trial of the Chicago Seven: Kritischer Film für jeden politischen Geschmack

Am 16. Oktober 2020, kurz vor der US-Präsidentschaftswahl, erschien der Film „The Trail of the Chicago Seven“ auf Netflix. Der Film ist politisch zwar politisch, aber nur so, dass sich wirklich jede:r darauf einigen kann. Damit lässt er durchaus Rückschlüsse auf die reale Politik zu.

 

August 1968. Der Vietnamkrieg läuft. In den USA stehen Präsidentschaftswahlen an. Die demokratische Partei will in Chicago ihren Präsidentschaftskandidaten küren. Verschiedene progressive Bewegungen mobilisieren zu Demonstrationen in Chicago, um die Demokraten dazu zu bewegen, sich für die Beendigung des Krieges einzusetzen. Am Rande der Proteste kommt es zu Gewalt. Das sind die historischen Fakten für den Film „The Trail of the Chicago Seven“, der auf Netflix zu sehen ist. Auch der Film selbst beruht auf einer wahren Begebenheit. Er handelt vom Prozess gegen sieben bzw. acht Organisatoren der Proteste.

 

Der Film zeigt das alles nicht gleich. Nach einem Zusammenschnitt verschiedener Reden von Lyndon Johnson und den Anführern der verschiedenen Protestgruppen startet der Film erst kurz nach der Vereidigung der neuen US-Regierung 1969. Der Justizminister lädt den Staatsanwalt Richard Schultz zu einem Gespräch ein, wo er ihn dazu drängt, gegen die Organisatoren der Proteste Anklage wegen Verschwörung zu erheben.

"The Trail of the Chicago Seven" (Netflix): Rückblenden während des Gerichtsverfahren zeigen Ereignisse der Proteste

Nach dem Gespräch spielt die Handlung von "The Trial of the Chicago Seven" hauptsächlich vor Gericht. Während des Gerichtsverfahrens werden Zeugen befragt. Diese dienen als Grundlage, um das Geschehen der Proteste Ende August 1968 per Rückblenden darzustellen. Außerdem gibt es Hinterzimmergespräche. Durch die Rückblenden bekommen die Zuschauer:innen die Ereignisse stückweise geliefert. Die Stücke formen dann ein Bild des Geschehens, das aber nie der historischen Realität gerecht werden wird.

 

Acht Angeklagte, zwei Anwälte, der Staatsanwalt und der Richter. Das sind verhältnismäßig viele Charaktere, die eine bedeutende Rolle einnehmen. Trotzdem ist es nicht schwierig, den Überblick zu behalten. Und auch die Personen selbst behalten eine gewisse Tiefe. Klarer Antagonist oder Gegner ist dabei der Richter. Sogar der Staatsanwalt, der nur auf seine Karriere aus ist, wirkt sympathisch.

Der Richter: Personifikation des Unrechts in "The Trial of the Chicago Seven"

Der Richter entspricht dagegen überhaupt nicht einer idealen Vorstellung eines Richters, der das Recht repräsentieren sollte. Er steht für das Gegenteil: Er ist ein verwirrter weißer alter Mann. Er ist Rassist und hat autoritäre Züge. Das zeigt sich, als er Bobby Seale, ein Black Panther, fesseln und knebeln lässt. Durch sein Verhalten personifiziert er das ganze Unrecht, das dem Verfahren innewohnt, aber auch die Ungerechtigkeiten dieser Zeit. Und auch die Ungerechtigkeiten, die es im 21. Jahrhundert immer noch gibt. Seine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, gepaart mit seinem autoritären Charakter, führen dazu, dass er durchaus eine faschistische Persönlichkeit ist.

 

Die Angeklagten des "Trail of the Chicago Seven" kommen dagegen aus verschiedenen linken Gruppen. Sie haben unterschiedliche politische Ziele. Und sie haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie sie diese erreichen wollen. Dazu sind sie unterschiedlich radikal, auch wenn der Staatsanwalt das anders sieht und sie alle radikale Linke in unterschiedlichen Kostümen abtut. Sie eint dagegen die ablehnende Haltung zum Vietnamkrieg. Und während des Prozesses eint sie außerdem die Ablehnung des Richters. Sie arbeiten also themenbezogen zusammen. Das geht nicht ohne Konflikte, was in den Hintergrundgesprächen zwischen den Verhandlungstagen gezeigt wird.

 

Punktuelle Zusammenarbeit in "The Trial of the Chicago Seven" und in echt

Damit behandelt der Film "The Trial of the Chicago Seven" auch das politische linke Spektrum. Auch das besteht heute noch aus unterschiedlichen Gruppen mit verschiedenen Zielen. Auch in der heutigen Zeit gibt es eher eine themenbezogene Zusammenarbeit. Außerdem vereint sind sie durch Antifaschismus, der im Film durch die Ablehnung des Richters gezeigt wird, und Pazifismus.

 

Der Film ist, trotz des Themas, welches immerhin von vor ungefähr 50 Jahren handelt, sehr unkritisch. Er führt zwar den Rassismus des Richters und das ungerechte Verfahren allgemein in den Vordergrund. Dabei bleibt es aber. Die Kritik bleibt in einem konsensfähigen Rahmen, der für den Großteil der Menschen anschlussfähig ist. Dabei zeigt er auch noch eine patriotische Haltung, als am Ende der Verhandlung die Namen der amerikanischen Soldaten vorgelesen werden, die während der Dauer des Prozesses getötet wurden. Die Folgen des Krieges würden noch deutlicher gezeigt, wenn auch Zivilist:innen einberechnet würden. Die eigentlichen Ziele scheinen vergessen. Das zeigt sich an der fast ausgelassenen Stimmung im Saal und auch in dem Umstand, dass der Prozess vernachlässigt wird und auch der Ausgang des Verfahrens nur in Textform am Ende erwähnt wird.

 

Liefert "The Trial of the Chicago Seven" Rückschlüsse auf die heutige Situation?

Damit lässt "The Trial of the Chicago Seven" auch Rückschlüsse auf das progressive Lager der heutigen Demokraten in den USA zu, die durchaus legitim sind, wenn man das Erscheinungsdatum des Films bedenkt. Auch hier liegt der Fokus auf dem Sieg gegen Donald Trump, der gefeiert wird. Joe Biden ist dabei der Kompromiss, der für alle anschlussfähig ist. Sogar für moderate Republikaner:innen. Er ist Teil des Systems; nicht zu radikal, nicht zu kritisch. Ein Wandel geschieht dadurch nicht. Genauso wenig, wie bei dem Verfahren, denn der Vietnamkrieg war bekanntermaßen auch nicht der letzte Krieg der USA.

 

John Nivens Satire-Roman "Die-Fuck-It-Liste" rechnet ebenfalls mit einem Thema der amerikanischen Politik ab. Es geht um eine mögliche weitere Präsidentschaft von Donald Trump.

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